Oft werde ich gefragt: „Mensch, du bist doch Expertin in Emotionaler Intelligenz. Wie bringe ich jemanden dazu, dass er endlich einsieht, dass …?“
Vor kurzem stellte mir jemand genau diese Frage – verbunden mit einer konkreten Situation:
Ein Mitarbeiter wollte seinen Vorgesetzten unbedingt davon überzeugen, dass ihre Abteilung eine neue Software braucht. Für ihn war völlig klar, dass war notwendig.
Doch sein Chef blockte – nicht aus Budgetgründen, sondern weil er dies anders sah. Je mehr der Mitarbeiter argumentierte, desto größer wurde der Widerstand und der Ärger auf beiden Seiten.
Seine Frage an mich: „Wie bekomme ich meinen Chef endlich dazu, mir zuzustimmen?“
Meine Antwort: „Auf diese Weise gar nicht.“
Denn Emotionale Intelligenz bedeutet nicht, andere mit psychologischen oder rhetorischen Tricks auf die eigene Seite zu ziehen.
Es bedeutet, die verborgenen Bedürfnisse hinter den Positionen sichtbar zu machen – und auf dieser Basis gesunde Lösungen zu finden.
In unserem Gespräch wurde deutlich:
Auf seiner Seite stand das Bedürfnis nach Entwicklung und Fortschritt.
Auf Seiten des Vorgesetzten das Bedürfnis nach Stabilität und Schutz der Teamressourcen. Beides widersprach sich erst einmal.
Dem Mitarbeiter und seinem Chef war das zuvor nicht bewusst. Sie diskutierten nur über die Vor- und Nachteile einer neuen Softwarelösung. Erst als die Bedürfnisse klar auf dem Tisch lagen, veränderte sich die Situation.
Statt weiter zu argumentieren, wagte er einen Perspektivwechsel und fragte seinen Chef: „Was genau ist Dir für das Team wichtig?“
Die Antwort eröffnete einen neuen Raum: Die Sorge galt nicht der Software selbst, sondern der zusätzlichen Belastung für das Team. Aus einer festgefahrenen Diskussion wurde ein konstruktives Miteinander. Und der Vorgesetzte entschied, das Team in den Entscheidungsprozess mit einzubinden.
Emotionale Intelligenz heißt nicht, Diskussionen zu gewinnen, um die eigenen – oft unbewussten – Bedürfnisse durchzusetzen. Es heißt, bewusst zu klären, warum mir und anderen etwas wichtig ist und die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehung in den Mittelpunkt zu stellen. Denn dann entstehen tragfähige Lösungen.