
Feedbackkultur vs. Überlebensinstinkt?
Unser Gehirn befindet sich teilweise noch auf Steinzeitniveau.

Stetig verändernde Arbeitsbedingungen, zunehmende agile Arbeitsformen, dezentrale Strukturen und wachsende Vernetzungen: sich selbst organisierende und optimierende Teams werden immer wichtiger. Deshalb etablieren viele Unternehmen Feedbackprozesse. Leistungen sollen verbessert, Eigeninitiative und Selbstbewusstsein der Mitarbeiter gestärkt werden, um schneller und flexibler reagieren zu können.
Feedbackprozesse sind also ein wunderbares Instrument für unternehmerischen Erfolg – wenn sie funktionieren. Doch die praktische Umsetzung stellt oft eine Herausforderung dar. Warum? Vielleicht, weil dieser Prozess einen Urinstinkt in uns anspricht?
Ziel einer Feedbackkultur ist es, Verbesserungsmöglichkeiten und Fehlerquellen frühestmöglich zu erkennen, diese zu nutzen bzw. zu beseitigen. Damit verbunden ist ein individuelles wie kollektives Lernen und Weiterentwickeln, um das Wachstum von Mitarbeitern und Unternehmen zu fördern. Abläufe und Optimierungsprozesse sollen schneller werden, blinde Flecken beseitigt. Dabei müssen alle Mitarbeiter ein gemeinsames Ziel haben. Auf jeder Ebene soll Mitdenken und Mitgestalten stattfinden.
In einer funktionierenden Feedbackkultur geben sich die Mitarbeiter hierarchie-, bereichs- und funktionsübergreifend Rückmeldungen über ihre Leistung, ihr Verhalten und ihre Wirkung nach außen. Voraussetzung dafür, ist ein offenes und vertrauensvolles Miteinander und eine ebensolche Kommunikation. Ein wertschätzendes Klima ist also elementar.
Dies ist eine große Herausforderung in Unternehmen. Vergleichen wir das doch allein mal mit unserem privaten Umfeld: Schon in der Familie oder unter Freuden ist es oft gar nicht so leicht, sich Rückmeldungen über Verhalten, Wahrnehmungen und Eigenschaften zu geben. Verständlich. Denn es ist etwas zutiefst menschliches, Schwächen zu verstecken. Es sichert unser Überleben! Seit Beginn der Menschheit war es für uns wichtig, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Wir Menschen konnten nur in der Gruppe überleben. Allein waren wir der Wildnis ausgeliefert. Deshalb war es wichtig eine wertvolle Funktion in der jeweiligen Sippe zu haben. Fehler zu machen, stellte diese Funktion in Frage. Und wurden wir dann sogar noch für das Kollektiv zur Last, durch Krankheit oder andere Schwächen, konnte das den Ausstoß bedeuten.
Führungskräften kam sogar noch eine besondere Rolle zu. Sie mussten unter Umständen noch mit jüngeren Mitgliedern um ihre Position und damit um ihre Daseinsberechtigung kämpfen. Dieser Überlebensmechanismus ist noch immer tief in unserem Gehirn verankert. Eine große Herausforderung für Mensch und Unternehmen. Denn nehmen wir kritische Rückmeldungen offen an und zeigen wir Schwäche, machen wir uns angreifbar. Begeben uns sogar in die Gefahr abgelehnt zu werden. Und wer will das schon? Vor allem, wenn es um die eigene Existenz geht. Kritik zu erhalten, weckt jedoch genau diese Urinstinkte. Kritik auszuhalten und sie als Chance zu begreifen, muss von den meisten Menschen erst noch gelernt werden.
Wir Menschen entwickeln uns stetig weiter und streben nach inneren Wachstum. Und wir haben noch einen anderen wichtigen Antrieb: Das tiefe Bedürfnis nach Akzeptanz, Respekt und Wertschätzung für die Person, die man ist – mit allen Stärken und Schwächen. Interessanterweise sind diese Qualitäten dem Herzen zugeordnet. Das heißt: Unser Gehirn und unser Herz konkurrieren hier zeitweise miteinander. Auch die Wissenschaft beschäftigt sich mit diesen Themen: Schaffen wir es unser Herz und Gehirn zu synchronisieren, stellen wir die richtigen Weichen für Wachstum, Erfolg, Zufriedenheit und Miteinander.
Und: Feedback ist essenziell für Menschen, damit sie sich erleben und spüren. Wenn wir keine Resonanz auf unser Tun bekommen, befinden wir uns in einem luftleeren Raum, der Unsicherheit und Unzufriedenheit schürt. Besonders deutlich ist das bei Kindern zu sehen, die von ihren Eltern keine Reaktion auf ihr Verhalten bekommen. Da kann es dann auch schon mal passieren, dass sie so lange provozieren bis sie eine strafende Rückmeldung erhalten. Alles ist besser als eine Nicht-Reaktion. Und auch uns Erwachsene geht es letztlich nicht anders. Entweder wir rebellieren oder ziehen uns zurück und machen maximal „Dienst nach Vorschrift“.
Denken Sie auch daran: Wir sind alle „nur“ Menschen. Tief in uns ist es verankert, dass wir jede – und sei es noch so sachliche Bemerkung – mit einer (Be)Wertung verknüpfen. Machen Sie das bewusst. Thematisieren Sie es, wenn notwendig.
Und wenn das Feedback mal nicht so gut klappt und plötzlich das Gegenteil auslöst, dann integrieren Sie das wiederum in Ihre Feedbackkultur und geben sich auch dazu Rückmeldung …
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Gabriela Wischeropp
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