Gesunde (Selbst)Führung: Warum eine positive Fehlerkultur gesund und sexy ist.

Wie wir mit Fehlern umgehen, hat Auswirkungen auf unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit.

Führungskompetenz-Positive-Fehlerkultur

„Wer war das?“ „Wer hat das zu verantworten?“ – Sofort wird es still im Unternehmen, viele ziehen ihren Kopf ein und andere rufen augenblicklich „Ich nicht!“. Wer gibt schon gern Fehler zu? Das macht angreifbar. Niemand möchte gern an den Pranger gestellt werden. Und die Angst vor den Konsequenzen ist auch nicht ohne.

Schon entsteht Stress: im Unternehmen, in der Abteilung, bei einzelnen Mitarbeitern. Schamgefühl und die Furcht vor Bestrafung verursachen emotionalen Druck. Und sobald dieser entsteht, gehen unser Gehirn und unser Körper in den Überlebensmodus. Instinktiv versuchen wir erst mal unsere Haut zu retten. Dafür sorgt unser Reptiliengehirn, der älteste Teil unseres Gehirns. Fangen wir dann an, Dinge schön zu reden, zu verschleiern oder uns zu verstecken, kommen wir in einen länger andauernden Stresszustand. Darunter leiden Produktivität, Leistungsfähigkeit und Gesundheit. Schlimmstenfalls können dadurch noch weitere Fehler, auch in anderen Bereichen passieren. Es entsteht eine Fehlerkette. Und es geht kostbare Zeit verloren, wenn Fehler aus Angst verschwiegen werden.

Warum wir so ungern Fehler eingestehen.

Betrachten wir die Situation logisch und kommt unser Großhirn zum Einsatz, wissen wir, dass es schädlich ist, Fehler zu vertuschen und sehr wahrscheinlich Folgefehler entstehen. Sind auch unsere Herzqualitäten beteiligt, indem wir beispielsweise selbstbewusst, ehrlich oder mutig sind, stehen wir zu Fehlern und nehmen die Sache sogar aktiv in die Hand, um schädliche Auswirkungen zu reduzieren. Kosten fallen geringer aus, je früher ein Fehler eingestanden wird. Geht es zusätzlich noch um Gesundheit und Leben von Menschen, ist das natürlich noch mal ein wichtiges Kriterium für ein schnelles Fehlereingeständnis und eine damit verbundene Lösungssuche. Schon Konfuzius hat erkannt „Wer einen Fehler gemacht hat, ihn nicht eingesteht und korrigiert, begeht einen zweiten.“

Beim Umgang mit Fehlern geht es also immer um zwei Ebenen: der Sach- und Emotionsebene. Wenn die Angst vor Konsequenzen, finanziellen oder imageträchtigen Schaden oder sogar Ausgrenzung überwiegt und es letztlich darum geht, dass sogar die eigene Existenz in Frage gestellt wird, herrscht eine Kultur der Angst und Sorge, die ungesund ist. Glücklicherweise haben mittlerweile viele Firmen erkannt, dass es sinnvoller ist, nicht nach einem Schuldigen zu suchen, sondern stattdessen lösungsorientiert zu fragen: „Was ist passiert?“ „Wie konnte es dazu kommen?“ „Was können wir tun, damit das nicht wieder passiert?“ „Wie können wir generell damit umgehen?“ „Was lernen wir daraus?“ Die kollektive Konzentration auf das Problem und dessen Lösung ist deutlich konstruktiver als die Problem- und Schuldigenorientierung. Ein wichtiger Baustein in der Vertrauenskultur von Unternehmen.

Und: Zu Urzeiten war es für Menschen lebensgefährlich einen Fehler zu machen. Eine Bedrohung zu übersehen oder eine falsche Entscheidung zu übertreffen, konnte den Einzelnen oder gar die ganze Sippe ausrotten. Sei es, giftige Früchte zu essen, in Gebiete mit Wasser- oder Nahrungsmangel zu wandern oder sich beispielsweise Raubtieren auszusetzen. Noch heute ist diese Angst in unserem Gehirn gespeichert. Fehler können im wahrsten Sinne des Wortes tödlich sein. Auch, wenn heute die meisten Fehler nicht gleich die körperliche Existenz zerstören, so kann unser Gehirn nicht unterscheiden, ob es sich um körperliche Gefahren oder um die finanzielle, soziale, berufliche Existenz handelt. Unser Gehirn und unser Nervensystem gehen in den Überlebensmodus.  

Wer also Fehler zugibt, verlässt nicht nur die eigene Komfortzone, sondern begibt sich unterbewusst auch in tödliche Gefahr. Und beides verursacht erst einmal Stress. Dieser hält jedoch deutlich kürzer an und kann bei einem positiven Umgang sogar ins Gegenteil umschlagen. Vertrauen und Zufriedenheit werden gefördert, unser Gehirn produziert gesundheitsstärkende Hormone und unser Nervensystem kommt in Balance.

Und warum wir so gern einen Sündenbock finden.

Wenn wir mit dem Finger auf jemanden zeigen können, bauen wir kurzzeitig Frust ab. Wir entlasten uns, glauben vorübergehend, der Fall sei gelöst und stärken gleichzeitig unser „Selbstwertgefühl“. Ein Sündenbock lenkt von unseren eigenen Fehlern ab oder lässt gar die Illusion aufkommen, wir machen gar keine. Hinzu kommt, dass wir „Unschuldigen“ uns in unserer Gruppe gestärkt und miteinander verbunden fühlen. Dieses „Zugehörigkeitsgefühl“ verstärkt sich noch, wenn eine ganze Abteilung für einen Fehler verantwortlich gemacht wird und wir in der anderen Abteilung arbeiten. Alles in allem fühlen wir uns dann ein Stück weit besser. Nur: Es handelt sich dabei um ein sehr flüchtiges Gefühl, das letztlich sogar einen faden Beigeschmack hinterlässt. Diese sogenannten Quick Wins sind keine tragfähige Basis für ein echtes Selbstwertgefühl und ein sicheres, vertrauensvolles Miteinander.

Schuldzuweisungen sind pures Gift.

Für jeden Einzelnen, für das Team und für das Unternehmen. Ist die Angst in einem Unternehmen vor Fehlern groß, lähmt sie und hemmt Weiterentwicklung und Wachstum. Wer glaubt, Fehler und Irrtümer können generell vermieden werden und seien nicht Teil unseres Lebens, wird voraussichtlich stagnieren oder sich gar rückwärts entwickeln. Neuerungen und Innovationen werden meist gar nicht erst gewagt. Entscheidungen und Handeln richten sich danach aus, Gewohnheiten und Routinen beizubehalten und Kontrolle auszuüben. Vielleicht der größere Fehler. Noch schlimmer wird es, wenn Fehler sogar mit negativen Aktionen, wie eine heftige Ansprache vom Chef, einer Abmahnung oder einer Bloßstellung vor dem Team, geahndet werden. So werden Vorsicht, Misstrauen und Unsicherheit gefördert. Der krampfhafte Versuch der Fehlervermeidung erreicht höchst wahrscheinlich das genaue Gegenteil und es werden mehr Fehler gemacht. Dann heißt es erst recht, bloß nicht auffallen, in Deckung gehen und Fehler verbergen. Psychische Belastung, Nervosität und Anspannung prägen dann die Unternehmenskultur. Das schwächt in vielen Bereichen. Und letztlich immer die Gesundheit: von Mitarbeitern und Unternehmen. Angst und Sorgen als Handlungsantrieb sind Stressfaktoren. Während der positive Umgang mit Fehlern Wachstum, Zufriedenheit, Produktivität, Leistung und Gesundheit fördert. Viele Unternehmen haben das erkannt. Sie setzen sich mit Fehlern und deren Folgen wie emotionale Ausnahmezustände, Kosten und Lösungsorientierung aktiv auseinander. Selbstbewusstsein, Mut und Vertrauen werden gestärkt, um Fehler schnell zu entdecken. Wer dann erst mal Ruhe bewahrt und Konsequenzen wie Verantwortung im Kollektiv trägt, entwickelt effektiver Lösungsmöglichkeiten.

Eine positive Fehlerkultur zu leben, ist nicht nur für Unternehmen ein Gewinn. Wir können dies auch wunderbar für den Umgang mit uns selbst oder mit Familie und Freunde nutzen. Wer einen inneren Kritiker hat, der sich gern und häufig zu Wort meldet, weiß was gemeint ist. Bei manchen Menschen kann das sogar bis zur Selbstzerstörung gehen. Wenn Sie lernen konstruktiv und urteilsfrei mit Fehlern umgehen, stärken Sie mentale und körperliche Gesundheit!

Was kann an einer positiven Fehlerkultur sexy sein?

Wechseln wir die Perspektive: Tauschen wir das Wort „Fehler“ einfach mal durch „lehrreiche Erfahrungen“ aus. Auf der persönlichen Ebene fühlt sich das doch gleich ganz anders an, oder? Der eine oder andere wird jetzt vielleicht aufschreien: „Toll, eine lehrreiche Erfahrung meines Mitarbeiters, die mich hunderttausende von Euros kostet.“ Besonders dramatisch wird es natürlich, wenn auch noch Menschen zu Schaden gekommen sind. Solche schwerwiegenden Fälle gehen jedoch höchst wahrscheinlich mit einem bewussten oder unbewussten Trauma einher und sollten gesondert betrachtet werden. Es geht hier auch nicht darum, leichthin mit folgenschweren Konsequenzen umzugehen, sondern um eine menschliche, lösungsorientierte Fehlerkultur.

Schauen wir daher mal genauer hin, was Fehler eigentlich sind:
Nach George A. Miller, amerikanischer Psychologe, ist ein Fehler eine Abweichung des Ist-Zustands vom Soll-Zustand. Es geht also allgemein um ein Abweichen oder Nichterfüllen von festgelegten oder erwünschten Anforderungen. Diese beziehen sich auf bestimmte Bedingungen oder Erwartungen, wie Ziele, Regeln oder Standards. Fehler sind also in der Regel Handlungen oder Entscheidungen, die zu einer unerwünschten Folge führen. Ein Beispiel: Ein Unternehmen möchte ein neues Produkt auf den Markt bringen. Das Ziel ist letztlich Gewinnsteigerung. Jemand entscheidet, diese Neuerung durchzuführen. Ein Projektteam wird installiert, das Produkt entwickelt, eventuell bereits erste Vertriebs- und Marketingstrategien entworfen und somit viel Zeit und Geld investiert. Dann stellt sich irgendwann heraus, dass es Probleme gibt und der erwünschte Erfolg sich nicht einstellen wird. Das Projekt und das Produkt werden eingestampft. War es ein Fehler? Einige werden sagen „Ja, es war falsch, diese Idee damals aufzugreifen. Wir haben uns verrannt und es hat uns viel Geld gekostet.“ Andere werden der Meinung sein, dass man das nicht vorher gewusst haben konnte und dass man nichts gewinnt, wenn man nichts wagt. „Wenn dies keine erfolgreiche Strategie war, so können wir daraus lernen und eine anderen Weg gehen, um das gewünschte Ziel zu erreichen.“ Also eine Frage der Bewertung?

Es gibt übrigens noch ein anderes Szenario, was Ihnen vielleicht bekannt vorkommt: Niemand traut sich, die Sache zu beenden, weil ja schon so viel investiert wurde. Es wird also weiter investiert und vielleicht sogar ein Produkt auf den Markt gebracht, dass letztlich mehr kostet als es einbringt. Nur, um keinen Fehler einzugestehen.

Fehlerdenken erzeugt immer Schuld- und Schamgefühle, die belasten. Sie mindern das Selbstwertgefühl. Erfahrungsdenken lenkt den Blick auf Chancen, Lösungen und Weiterentwicklung. Es stärkt Selbstvertrauen und Handlungsfähigkeit. Dabei geht es nicht um eine Verdrängung oder Schönreden des Geschehenen, sondern darum, dazu zu stehen und lösungsorientiert zu handeln. Klar, welches der gesündere Umgang ist. Welche dieser Denkweisen finden Sie attraktiver?

Erfolgreich ist dieser gewinnbringende Umgang nicht nur unternehmensintern. Auch in der externen Kundenansprache kommt das besser an. Denken Sie nur daran, wie Sie reagieren, wenn Sie mit einem Produkt nicht zufrieden sind, weil es nicht so funktioniert wie erwartet und Sie beim Kundenservice anrufen. Welche Reaktion stellt Sie zufriedener: Wenn der Fehler zugegeben wird und der zuständige Kundenberater versucht, eine Lösung für Sie zu finden? Oder wenn die mangelnde Funktionstüchtigkeit verneint wird? Studien haben sogar gezeigt, dass ein gutes Beschwerdemanagement mehr zur Kundenbindung beiträgt als so manche Marketingaktion.

Praxistipps: So funktioniert eine positive Fehlerkultur.

Eine positive Fehlerkultur geht mit einem Bewusstseinswandel einher. Es geht nicht darum, Fehler als Peinlichkeit oder persönliche Unzulänglichkeit zu verstehen, sondern als Teil unseres Menschseins, als Chance und Entwicklungsmöglichkeit.

  • Am Anfang steht die Akzeptanz: Menschen machen Fehler. Das ist die Realität. Wer immer Perfektion erwartet, übt permanent Druck aus und geht destruktiv mit Fehlern um. Akzeptanz schafft Distanz und sorgt für mehr Gelassenheit.

  • Angst und Sorgen waren noch nie gute Ratgeber. Machen Sie sich das bewusst. Nehmen Sie Ihre Sorgen an, aber lassen Sie nicht zu, dass Sie Ihr Leben bestimmen.

  • Seien Sie als Führungskraft Vorbild. Gestehen Sie Fehler ein. Machen Sie daraus einen Lerneffekt für sich und Ihr ganzes Team.

  • Stehen Sie generell zu sich und Ihre Entscheidungen. Auch, wenn Sie mit sich selbst unzufrieden sind. Wir kochen alle nur mit Wasser. Gehen Sie mit sich selbst nachsichtig und verständnisvoll um. Selbstvergebung ist hier ein gutes Stichwort.

  • Üben Sie sich in Fehlertoleranz. D. h. reagieren Sie sensibel und respektvoll auf Ihr Gegenüber. Suchen Sie keinen Schuldigen, sondern konzentrieren Sie sich auf die Sachebene, nicht auf den oder die Verursacher. Gehen Sie mit allen Beteiligten, einschließlich sich selbst, respektvoll und wohlwollend um.

  • Analysieren Sie die Situation und stellen Sie wichtige Fragen: „Was ist genau passiert?“ „Wie konnte es dazu kommen und was können wir tun, damit das nicht wieder passiert?“ „Was lernen wir daraus?“

  • Richten Sie den Blick nach vorn: Wie können wir diesen Fehler als Verbesserungspotenzial nutzen?


Verschweigen Sie Fehler im Unternehmen nicht, sondern gehen Sie proaktiv und konstruktiv damit um. Auch, um anderen Abteilungen Mut zu machen, eine positive Fehlerkultur zu leben. Es gibt sogar Unternehmen, die einen jährlichen Award einführen: „Wie aus einem Fehler eine großartige Entwicklung entstand.“

Übrigens: Fehlerkultur und Fehlermanagement sind zwei verschiedene Dinge. Die Fehlerkultur bezeichnet die Art und Weise, wie ein Unternehmen mit Fehlerrisiken, Fehlern und ihre Folgen umgeht. Eben auch auf der emotionalen Seite. Das Fehlermanagement ist der methodische Umgang mit einem Fehler und dessen Auswirkungen in einem Mensch-Maschine-System.

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